Freitag, 5. Juni 2015

Kurzer Biss, blinder Käse

Als ich vor ein paar Jahren mit Bäckern die "Österreichische Brotansprache" entwickelte, kam in einer Diskussion der Begriff "kurzer Biss" auf. Ein Fachbegriff, der zwar unter Bäckern geläufig ist, mit dem ich als Ernährungswissenschaftlerin und Sensorikerin aber nicht viel anfangen konnte. Wir haben ihn dann konsumententauglich als "al dente" übersetzt - denn die Brotansprache ist dazu da, Brot für Endverbraucher verständlich zu beschreiben.

Heute las ich das aktuelle Journal Culinaire Heft 20 mit dem Schwerpunkt Käse. Und fand in einem Beitrag von Inka Scharf über DLG-Qualitätsprüfungen von Käse ein paar grandiose Begriffe:
1) "blind" ist ein Käselaib, wenn er keine Lochung hat, obwohl eine vereinzelte Lochung vorgesehen wäre
2) "kurz" ist ein Käse, wenn der Teig nicht geschmeidig ist.

Das finde ich spannend! Die genannten Beispiele zeigen, wie komplex das Thema sensorische Sprache ist.

Dazu ein kurzer Exkurs:
  • Es gibt referenzielle Beschreibungen, beispielsweise verweist ein "würziges" Brot auf Gewürze, ein "wattiges"  Brot hat eine weiche, trockene Konsistenz wie eben Watte. 
  • Es gibt aber auch metaphorische Beschreibungen, wo ein Begriff nicht in seiner wörtlichen Bedeutung, sondern in einem übertragenen Sinn verwendet wird. Ein Beispiel dafür ist der genannte „kurze Biss“, wo ja nicht die Bisslänge gemessen wird. Auch ein "trockener" Wein ist eine Metapher, der Wein ist ja flüssig.  Und der "blinde" Käse hat keine Löcher alias Augen.
Manche Terminologien muss man kennen, um sie zu verstehen. Unmissverständlich war die "Brot-Sprache" auf dem Foto unten :-) Bei einer Weitwanderung von Linz nach Wien machten wir u.a. in Kaumberg Station. Und bekamen zum Frühstück folgendes "Riesenflesserl" serviert, das über den ganzen Tisch reichte!


Foto: © Andreas Baierl

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