Sonntag, 4. Mai 2014

Projekt Wurzelwerk: sensorisch und statistisch beleuchtet

Wurzelwerk - das ist ein geniales, gemeinsames Projekt der Winzer Alwin & Stefanie Jurtschisch (Weingut Jurtschisch, Kamptal), Maximilian von Kunow (Weingut von Hövel, Saarland) und Johannes Hasselbach (Weingut Gunderloch, Rheinhessen). Diese tauschten 2012 jeweils einen kleinen Teil ihrer Riesling-Trauben aus großen Lagen aus. Sodann wurden an jedem der 3 Weingüter Weine aus allen 3 Lagen erzeugt und im Edelstahl ausgebaut.
d.h.:
jeder Winzer erntete Trauben einer Lage = 3 Lagen,
jeder Winzer verarbeitete alle 3 Lagen = 9 Weine,
die Aufschluss darüber geben sollten, ob das Terroir oder der Winzer einen größeren Einfluss auf das Endprodukt hat.

Das spezielle Setup, im Fachjargon "Full Factorial Design" genannt, nämlich, dass jeder Winzer unterschiedliche Lagen verarbeitete, aber alle 3 Lagen von allen 3 Winzern vinifiziert wurden, bietet die fast einzigartige Möglichkeit, den Einflussfaktor Winzer und den Einflussfaktor Lage unabhängig voneinander zu untersuchen.

Wir machten uns also an unsere eigene Weinprobe! Und zwar mit Hilfe sensorischer und statistischer Methoden, schließlich ist frau Sensorikerin, und ihr Lebensgefährte Statistiker! Die Verkostung erfolgte mit sechs Testern, die alle regelmäßig Weine kosten, und zwar völlig blind: Ein Tester verpackte die 9 Flaschen in Weinhüllen, die von einem anderen Tester dann codiert wurden. Somit wusste niemand, welcher Wein sich in welcher Hülle befand. Die Gläser wurden ebenso codiert, um Verwechslungen vorzubeugen. Alle 9 Weine wurden gleichzeitig eingeschenkt. Gekostet wurde individuell und in unterschiedlicher Reihenfolge. Die sensorische Methode: eine Sortierung der Weine in Gruppen auf Basis ihrer relativen Ähnlichkeit. Das Ganze mit der Vorgabe, dass jeder Tester 3 Gruppen mit 3 relativ gesehen möglichst ähnlichen Weinen bilden musste.
Würden wie eher die Winzer oder die Rieden gruppieren? 

Ausgewertet wurde:
- wie viele Weine wurden hinsichtlich der Winzer richtig gruppiert?
- wie viele Weine wurden hinsichtlich der  Lage richtig gruppiert?
Für beide Fragen galt: Im Idealfall kann jeder Tester alle 9 Weine richtig gruppieren, im schlechtesten Fall 3 Weine. Für sechs Tester ergab sich somit ein optimaler Score von 54 Richtigen, als worst case 18 Richtigen.

Und das kam heraus:
Hinsichtlich Winzer schafften wir 30 Richtige, hinsichtlich Lage 38 Richtige. Wir schmeckten also eher das Terroir als das Handwerk des Winzers!

Ist 38 nun viel oder wenig? Kann so ein Ergebnis zufällig sein? Nur sehr unwahrscheinlich! Mit 38 richtigen waren wir signifikant besser als der Zufall. Die Wahrscheinlichkeit, unser Ergebnis oder ein noch besseres zu erreichen, liegt bei nur 1%.
Die von uns erzielte Gruppierung nach Winzer entspricht hingegen dem Zufall. Hätten wir dem Zufall freien Lauf gelassen, hätten wir durchschnittlich 30.8 richtige geschafft.

Nun sei gesagt, dass über das Projekt viel in Weinzeitschriften geschrieben wurde.  Etwa im Falstaff, Heft 1/2014: “Es stand zur allgemeinen Überraschung fest: Keller gewinnt gegen Boden.“
Nun, unser Ergebnis, mit der obigen Methodik, ist ein deutlich anderes! Das mag auch am späteren Verkostungszeitpunkt - in unserem Fall im März 2014 - liegen.

Danke an Heinz & Svetlana für die Einladung, Jürgen & Karin für die unterhaltsame Runde, Andi für die Auswertung.
Foto: © E. Derndorfer
 

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